Frühlingsluft um die Nase, Wind in den Ohren, Wellen kabbeln gegen Schiffe. Menschen arbeiten emsig oder sitzen vor Kaffetassen, Kinder spielen. Es riecht nach Leim, Holz und Aufbruchstimmung. Zu Besuch auf der Greifswalder Museumswerft.

Der Greifswalder Museumshafen. Im Sommer ein Ort des lebendigen Umtrunks und der Entspannung. Zwei Restaurantschiffe, ein Ruderbootshaus, Fluten von glitzernden Yachten aus örtlicher Produktion, dahinter ein heimeliges Üferchen voll skandinavischer Ferienbuden. Und doch versteckt sich, zwischen dem Ruderclub Hilda und dem wirtschaftlichen Zugpferd „Hanse-Yachten“ ein wahrhaftes Greifswalder Kleinod, oft in Bewegung, doch hinter alten Masten und Bordwänden gut getarnt.

„Werft mit Kultur“ schallt es daher nun auf Postkarten aus der Greifswalder Museumwerft e.V.; Sommer, Sonne und maritime Aktivität stehen an und man hofft auf zahlreiche Zuflüsse, auch aus ryckfernen Gegenden der Stadt.

Die Aktivitäten des seit 2001 bestehenden Vereins sind mindestens so abwechslungsreich wie die Geschichte seines Geländes typisch für Vorpommern, hat doch der Schiffsbau und Werftbetrieb in der Greifswalder Salinenstraße eine lange Tradition. Einst war das nördliche Ryckufer gesäumt von Holzschiffwerften, jedoch der Niedergang der Segelschiffahrt machte vielen Betrieben den Garaus. Verschont blieb lediglich das jetzt noch genutzte Grundstück, im Volksmund alte Buchholz‘sche Werft genannt. Im Jahre 1911 hatte Richard Buchholz das Grundstück erhalten und den Betrieb in den Folgejahren stetig ausgebaut. Übrig geblieben sind aus dieser Blütezeit einige Gebäude sowie Maschinen.

Zwischen 1945 und der Flucht des Eigentümers Willi Buchholz 1953 in die BRD wurden mehrere Kutter von 17 bis 23 Metern sowie mit der „Neues Deutschland“ ein Lehr- und Versuchskutter von stattlichen 32 Metern Länge gebaut.

Die anschließend in eine VEB-Bootswerft umgewandelte Firma baute in den folgenden Jahrzehnten immer weniger neue Schiffe, sondern spezialisierte sich zusehends auf Reparaturen. Pünktlich zum Jahre 1990 verließen die volkseigenen Werften dann fluchtartig das nördliche Ryckufer und neben Arbeitslosigkeit bei ehemals Beschäftigten machte sich in den alten Hallen und Schuppen Aufbruchstimmung breit. Freiraum war entstanden, ein Ort voll handwerklichem und kulturellem Potential, charmant, heruntergekommen und in bester Lage direkt am Wasser.

Zwischen Bierkästen und Feuertonne

In langen Nächten um Feuertonnen und Bierkästen entstanden erst Träume und Ideen und dann der Verein Museumshafen Greifswald e.V. Schnell begann man, neben der Nutzung der Schuppen als Werkstatt, sich um die Anerkennung der historischen Slippanlage als Denkmal sowie die Aufnahme des gesamten Werftgeländes in die Denkmalliste der Stadt Greifswald zu bemühen. Nach der Überwindung bürokratischer Hürden zog endlich wieder handwerkliches Leben in die altgedienten Hallen ein, stadtbekannte Schiffe wie der Bildungslogger Lovis des Vereins „BÖE e.V.“ wurden hier aufgebaut. Im Jahre 2001 entschlossen sich Mitarbeiter, einen bunten und vielfältigen Werftbetrieb, den heutigen Verein Greifswalder
Museumswerft e.V. zu gründen.

Das Ziel: Die Gestaltung einer Museums- und Kulturwerft, in der Jugendprojekte, Selbsthilfewerft und Kulturstätte Hand in Hand gehen sollten. Klar war von Anfang an, dass es mit einem „Wachküssen“ der teilweise maroden Wunderwelt nicht getan sein würde. Ohne klare Eigentumsverhältnisse gab es erstmal auch keine Planungssicherheit. Der handwerklichen Arbeit an den Gebäuden ging daher die Bewältigung amtlicher Hindernisse voraus. Es galt, die Buchholz‘sche Erbengemeinschaft, welcher das Gelände nach der Wiedervereinigung rückübertragen worden war, vom ausgearbeiteten Nutzungskonzept zu überzeugen.

Seemannsgarn und Sanierungskonzept

Ein Großteil des Geländes gehört dem Verein nun seit 2005, im Frühjahr 2010 ging dann das bis dato von der Stadt gepachtete Flurstück samt dem sogenannten Heineschuppen in Vereinsbesitz über. Dieser ist das älteste Gebäude der alten Buchholz‘schen Werft und soll umfassend saniert und umgebaut werden. Lang durchdachte Pläne liegen bereits, auf ihre Verwirklichung wartend, in den Schubladen.

Der Heineschuppem

„Die erdachten Konzepte sehen den Heineschuppen inmitten unserer Vision ‚Erhalt durch Nutzung‘. Geplant ist, dass er der öffentliche Teil der Werft wird“, so Projektmanagerin Sophia Maria Garitz. Eine Heimat für maritime Kultur verschiedenster Facon und erlebbarer Technik und Tradition rund um den Bootsbau. Dazu wird es ein Café mit Terasse und Kamin geben, sodass Seemansgarn und Träume zu jeder Jahreszeit frei und gesellig gesponnen werden können. Noch mahlen die bürokratischen Mühlen langsam, doch stetig. Konzepte sind erdacht und niedergschrieben, Förderanträge an die Adressen der Stadt Greifswald und des Landes Mecklenburg-Vorpommern gestellt, Förderer aus der Wirtschaft sitzen mit im sprichwörtlichen Boot. Sophie Maria Garitz hofft auf einen baldigen Baubeginn. Verdient hat sich der Heineschuppen, die seine Grundmauern unangetastet lassende Sanierung redlich, eine zeitnahe Lösung ist ihm und den gegen seinen Verfall Kämpfenden zu wünschen.

Rund zehn Prozent der veranschlagten Gesamtsumme gilt es noch zusammenzukratzen, und genau hierbei soll die Postkartenaktion helfen. Und auch das nächste Veranstaltungshighlight steht in absehbarer Zukunft bevor: Am sechsten und siebten Juli ist das große Benefizsommerfest, der diesjährige, kulturelle Höhepunkt auf der Museumswerft. Und der ideale Zeitpunkt für alle Greifswalder, Werft und Leute kennenzulernen. Helfende Hände und kreative Ideen sind, neben schnödem Mammon, jederzeit willkommen. Sind doch ideelle und materielle Solidarität Alternativen zum ewigen „In dieser Stadt ist so wenig los“-Jammern. Und wie sprühte es ein kluger Kopf an eine verrammelte Fassade in der Wollweberstraße: „Ideen brauchen Räume. Greifswald braucht Ideen.“ Dem ist nichts hinzuzufügen.

Ein Feature von Ole Schwabe mit Fotos von Johannes Köpcke